Der überwiegende Teil meiner Kompositionen ist durch eine Verbindung von Wort und Ton geprägt. In meinem Werkverzeichnis Musik sind diese Kompositionen in der Rubrik Vokalmusik aufgeführt; doch auch in den übrigen Rubriken finden sich viele Werke, die in irgendeiner Weise auf Texte Bezug nehmen. Das kompositorische Bearbeiten von Texten verstehe ich als Formulierung einer künstlerischen Entgegnung auf die Texte mit musikalischen Mitteln. Ausgehend von einer umfassenden Auseinandersetzung mit einem Text verknüpfe ihn mit musikalischen Erfindungen zu einem vielschichtigen Gebilde, dessen Bedeutungen erst aus dem gleichsam kontrapunktischen Zusammenwirken der beiden Ausdrucksformen erwachsen. Besonders deutlich tritt diese Vertonungsweise von Texten in den zahlreichen Werken bzw. Werkteilen mit Rezitation hervor, da hier weitgehend frei zu rezitierende Texte und Instrumentalmusik gleichzeitig oder abwechselnd erklingen und so die Eigenständigkeit der beiden Ebenen akzentuiert wird.

Aufgrund der Anordnung meiner Werke vor allem unter dem Gesichtspunkt, ob und in welcher Weise Texte darin zum Vortrag gelangen, wurden einige der in Werkverzeichnissen gebräuchlichen Kriterien nachrangig behandelt. So steht hier allerhand Disparates unmittelbar nebeneinander: Einfaches und Komplexes, Herkömmliches und Neuartiges, Didaktisches und Virtuoses. Ich lege Wert darauf, mein musikalisches Denken und Empfinden in seinen unterschiedlichen Facetten zu äußern, diese aber gleichwohl zueinander in Beziehung zu setzen. Aus diesem Grund verwende und entwickle ich musikalische Gestaltungsweisen, die sowohl Vielfalt ermöglichen, indem sie auf unterschiedliche musikalische Klanglichkeiten und Formbildungen bezogen werden können, als auch Einheit in dieser Vielfalt stiften, indem sie Zusammenhänge zwischen äußerlich entlegenen musikalischen Gebilden herstellen.

Kompositorische Vielfalt strebe ich auch mit Blick auf die musikpraktische Bestimmung meiner Werke an. Insbesondere die kleineren Formen, die ich bevorzuge, ermöglichen mir, ein breites Spektrum musikalischer Ausdrucksweisen zu pflegen. Gleichgültig, ob es sich um ein schlichtes Liedchen oder ein verwickeltes Kunstlied handelt: Maßgeblich ist bei meiner kompositorischen Arbeit, durch die musikalische Gestaltung Inhalt und Form – im Sinne einer in sich widerspruchsvollen Einheit – in ein für mein Empfinden stimmiges Verhältnis zu bringen. Vor dem Hintergrund historischer und zeitgenössischer Musikproduktion entwickle ich dabei eigenwillige Formbildungen, suche mir aber auch althergebrachte Formen anzuverwandeln, indem ich ihre Brauchbarkeit für die Darstellung neuer Inhalte untersuche und sie daraufhin – erneuernd und erweiternd – umgestalte.

Kunst spiegelt die Beziehungen der Menschen zur Welt wider, in der sie leben. Sie ist von den politischen Bedingungen geprägt, unter denen sie erzeugt wird, und sie wirkt auch auf diese Bedingungen ein – stets auf Umwegen, nicht selten unmittelbar. Diese Einsichten hatten und haben zahlreiche Konsequenzen für meine Rezeption sowie für meine Produktion von Kunst; auch diejenige, dass ich in vielen meiner textbezogenen Kompositionen auf gesellschaftspolitische Themen Bezug nehme. Zwar prägen weltanschauliche Aspekte jedwede künstlerische Arbeit und treten in Werken mit explizit politischen Themen allenfalls stärker hervor; doch besonders mit Blick auf letztere ist für mich die Maßgabe von Bedeutung, dass in der Kunst alles Inhaltliche gänzlich künstlerische Form angenommen haben sollte, sofern sie nicht als bloße Verpackung fungieren soll. Kunst bezieht Größe nicht aus der Größe ihrer Themen, sondern aus der Überzeugungskraft ihrer Gestaltung.

Die in meinen Kompositionen verwendeten musikalischen Materialien sind äußerst vielfältig. Doch erst aus der kompositorischen Verarbeitung der Materialien erwächst ihre jeweilige Bedeutung. Unter den von mir verwendeten Kompositionstechniken nimmt ein Verfahren eine Sonderstellung ein, das formbildende Eigenschaften hat und für das ich den Begriff „Systematisch-prozessuales Komponieren“ geprägt habe. Die mittels einer strengen Handhabung dieser Technik gefertigten Werke oder Werkteile entwickeln sich beim Komponieren nicht von vorne nach hinten, sondern erwachsen als Ganzes einem Wechselspiel zwischen abstrakteren und konkreteren musikalischen Vorstellungen. Die so entstehenden musikalischen Verläufe laden mit aufeinander bezogenen, nicht selten äußerst verwickelten Prozessen zu einem beobachtenden Hören ein.

Das Komponieren von Musik im Sinne einer schriftlichen Ausarbeitung und Fixierung musikalischer Vorstellungen bietet die Möglichkeit, die vielen unterschiedlichen Facetten der Erzeugung von Musik zu bedenken und zueinander in Beziehung zu setzen – nicht zuletzt die rationalen und die emotionalen Entscheidungen im Kompositionsprozess. Insofern begreife ich das Komponieren unter anderem als rationale Auseinandersetzung mit emotionalen Vorgängen (bzw. ihrem musikalischen Ausdruck) sowie als emotionale Auseinandersetzung mit rationalen Vorgängen (bzw. ihren musikalischen Ergebnissen). Meine Kompositionen erwachsen aus einer Art inneren Zwiesprache und künden von dem Geflecht individueller und kollektiver Erfahrungen, die ich für meine Existenz als prägend auffasse. Gleichwohl weisen sie über diese Erfahrungen hinaus – auf das, was werden könnte.

Die meisten Themen meiner Arbeit sind von Gegensätzen oder Widersprüchen unterschiedlicher Art geprägt. Dies deutet sich in vielen Stücken bereits darin an, dass ich als Ausgangspunkt für musikalische Entwicklungen zwei oder mehrere musikalische Gebilde einander gegenüberstelle – sei es in Form einer Spiegelung, einer Komplementierung, einer Kontrastierung oder einer Konfrontation. Als Zeitkunst gestattet mir die Musik, Entwicklungen zu gestalten, die aus solchen dialogischen oder antithetischen Konstellationen hervorgehen können; allgemeiner gesagt: Möglichkeiten auszuarbeiten, die in Gegebenheiten angelegt sind; und noch allgemeiner: zu hoffen. Wie auch immer es um diese Hoffnungen bestellt ist: Im Pulsieren gegensätzlicher oder widerstreitender Elemente – im lustvollen wie im leidvollen Sinne – erkunde und erkenne ich: Leben!